Projekte in Kenia

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Ausbildung im Kampf gegen die Beschneidung

Herzstück unserer Arbeit

Die Anfrage von mutigen Müttern der Kisii-Ethnie, eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich frei von gesellschaftlichem Druck für die Unversehrtheit und gegen die Beschneidung ihrer Töchter entscheiden können, war der Startschuss für die Seminar- und Ausbildungsarbeit des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTES.  Eine Co-Finanzierung durch die EU für 3 Jahre ermöglichte die Verwirklichung der Pläne und Wünsche in der Anfangsphase. Hand in Hand mit den Einheimischen konnte das gemeinsam erarbeitete Projektkonzept seither umgesetzt werden: Mit speziellen Seminaren und Schulungsprogrammen die Menschen vor Ort darin auszubilden, in ihren Familien und ihrer Umgebung einen kulturellen Wandel in Gang zu bringen, der ihre Töchter unversehrt aufwachsen lässt.

Warum benötigte es zunächst unsere psycho-soziale Ausbildung zur Beendigung von FGM?

Nehmen wir als Beispiel für die Beendigung der Praktik FGM das Bild eines Baumes – stutzt man die Krone, wächst stets wieder etwas nach. Macht man sich jedoch an den Wurzeln zu schaffen, hat der Baum nur wenig Überlebenschance.

Bezogen auf die Beschneidung heißt dies: Wirksam ist, zur Beendigung von Genitalverstümmelung an den Wurzeln der Praktik zu arbeiten – nämlich der dort herrschenden Diskriminierung von Frauen und Mädchen.

Um dies in Bewegung zu bringen, benötigt es eine sensible, psycho-soziale Seminararbeit mit den Menschen vor Ort. Besonders Männer müssen angestoßen werden, ihr Verhalten Frauen gegenüber freiwillig zu ändern.

Dies bildet den Kern unserer Arbeit – und ist hocherfolgreich.

Kenianerin freut sich über ihre Ausbildung

An wen richtete sich die Ausbildung?

Den Anfang bildete von 2002 bis 2005 eine Intensivausbildung für Lehrerinnen/Lehrer und Schulleitungen. Sie umfasste insgesamt 210 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, berufsbegleitend, und mit Fokus darauf, dass mindestens 50% Männer daran teilnehmen. Männer als Entscheidungsträger in den Ethnien sind dabei die Hauptzielgruppe unserer Arbeit.

Des Weiteren führten wir durch und boten an:

  • Seminare für Beschneiderinnen
  • Ausbildung für Führungskräfte (1,5 Jahre)
  • Sensibilisierungskampagnen
  • Ständige Weiterbildung der Facilitators – dem festen kenianischen Ausbilder/innenstamm des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTS

Jede Zielgruppe benötigte eine andere Ansprache, einen unterschiedlichen Umgang mit den Themenbereichen. Unsere Anti-FGM-Fachkräfte sind dafür qualifiziert, sich auf die jeweiligen Bedürfnisse einzustellen.

Ausgebildete-Lehrer-gegen-FGM
Graduierte Lehrerinnen und Lehrer nach ihrer 3-jährigen Ausbildung
Ausbildungsarbeit bei Männern
Ausbildung auf Augenhöhe

Ausbildungsinhalte – was wird vermittelt?

  • Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Bereichen Sexuelle und Reproduktive Gesundheit
  • Fakten zu FGM sowie die psychischen und physischen Auswirkungen dessen
  • Sensibilisierende Inhalte zu Themen wie Gleichberechtigung, Situation von Mädchen und Frauen, Familienleben
  • Elemente der Pädagogik: Reflexionsfähigkeiten, Kommunikationsskills, Teamarbeit
  • Die Begleitung bei der Umsetzung des Gelernten in die Praxis

Die Teilnehmer/innen beziehen den Lehrstoff auf sich. Dann geben sie ihr neues Wissen weiter an Eltern, Kollegen/-innen und Schulkinder, mobilisieren Bürgermeister und Clanälteste, retten so ganze Jahrgänge und zuallererst ihre eigenen Töchter und Enkelinnen vor der Beschneidung.

Aus der großen Gruppe der Ausbildungsteilnehmer, die in ihrem Umfeld Veränderungen zum Wohle von Frauen und Mädchen anstießen und durchgetragen haben, kristallisierte sich im Laufe der Zeit eine Gruppe von Leuten heraus, die sich zum Ziel setzten, wiederum andere Menschen ausbilden zu wollen, um den Kampf gegen FGM möglichst effektiv zu gestalten. Sie nennen sich heute „Facilitators“ und führen u.a. beispielsweise  die Wert-Zentrierten Elternschulen durch.

Regelmäßig fanden Seminare für die Facilitators statt, die teilweise von einer unserer Anti-FGM-Fachkräfte geleitet wurden – es bedürfte eines ständigen Erfahrungsaustausches und der Möglichkeit nach Weiterentwicklung und Fortbildung.

Wer bildete zuerst aus? Wer bildet heute aus?

Begonnen haben unsere Anti-FGM-Fachkräfte, Diplom-Sozialpädagoginnen, geschult vom CENTER for PROFS im Wert-Zentrierten Ansatz.

Danach – bis heute:  die kenianischen Facilitators. Sie sind nach der Aus-, Fort- und Weiterbildung durch die Anti-FGM-Fachkräfte wiederum in der Lage, andere Menschen auszubilden. 

Unser Ziel:

Bei allen Maßnahmen des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTES war / ist gewährleistet, dass sie durch hohe Beteiligung und Einsatz der Menschen selbst realisierbar sind. Das von uns Geleistete führte / führt zu keinen Abhängigkeiten, sondern ist Hilfe zu direkter nachhaltiger, flächendeckender Selbsthilfe. Die gesamte Kooperation mit den Menschen vor Ort ist dem Ziel verpflichtet, vorhandene Potentiale zu wecken, zu aktivieren und zum Einsatz zu bringen.

Ziel ist und war, die deutsche Beteiligung immer mehr zu reduzieren, bis am Ende des jeweiligen Projektrahmens sämtliche Aufgaben komplett von den Kenianerinnen und Kenianern gestemmt werden und die Enkel und Enkelinnen ihre Großeltern irgendwann fragen: „Was war eigentlich diese Weibliche Genitalverstümmelung?“ und diese die Frage auch nicht mehr beantworten können.

 

Ausbildungsarbeit Kenianerin und deutsche Mitarbeiterinnen
Deutsche und kenianische Ausbilderin arbeiten Hand in Hand

Elternschulen zur Beendigung von Genitalverstümmelung

Wie sahen und sehen unsere Wert-Zentrierten Elternschulen aus?

Auf Wunsch der Bevölkerung wurden in der Mosocho-Region nachhaltige Möglichkeiten und Strukturen für ein Ende der Beschneidung von Frauen geschaffen. In extra hierfür entstandenen, lokal verankerten Schulen lernen die Eltern, ihre Kinder -Töchter wie Söhne – gleichberechtigt aufwachsen zu lassen. In Seminaren nach dem Wert-Zentrierten Ansatz erfahren und erleben sie, dass der Wert eines Menschen nicht vom Geschlecht abhängt.

Gegenseitiger Respekt und wertschätzender Umgang miteinander insbesondere von Ehemännern und Partnern gegenüber ihren Frauen ermöglichen ein harmonisches Zusammenleben.  Ein wesentlicher Schritt im Kampf gegen FGM.

Gewalt in der Familie muss nicht sein – viele der männlichen Teilnehmer möchten den Umgang mit ihrer Frau nach den Elternschulen verändern.

 

In 5-tägigen Schulungen werden den Eltern und auch Großeltern Denkanstöße gegeben, durch die sie sich ihrer häufig gewaltgeprägten Familiensituation gewahr werden und der Wunsch entsteht, sowohl bei Männern als auch bei Frauen, diese zu verändern.

Ursprung der von Teilnehmern/innen angesprochenen Gewalterfahrungen in ihren Familien ist in fast allen Fällen die Ungleichberechtigung von Mann und Frau.

Aus der Erkenntnis, dass der Wert eines Menschen nicht vom Geschlecht abhängt, kombiniert mit anatomischem Wissen über die Geschlechts- und Sexualorgane von Mann und Frau, kann schließlich die Entscheidung entstehen, die Töchter unversehrt aufwachsen zu lassen.

Speziell geschulte Lehrerinnen und Lehrer

Eine wichtige Grundlage für die Verwirklichung der Menschenrechte ist gelegt. Nun geht es darum, Ängste vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und Verachtung sowie Mythen, dass unbeschnittene Töchter und Frauen sich ohne die grausame Beschneidungserfahrung unsittlich verhalten könnten, aus dem Weg zu räumen. Die kenianischen Lehrerinnen und Lehrer (Facilitators), die eine intensive Wert-Zentrierte Ausbildung absolviert haben, die von einer unserer Anti-FGM-Fachkräfte aus Fulda vor Ort in Mosocho durchgeführt wurde, sind bestens auf diese Aufgabe vorbereitet.

Durch Geduld, gute Kommunikationsfähigkeiten und Fachkenntnisse lösen sie Bedenken, Mythen und Ängste, die von den Teilnehmern zur Sprache gebracht werden, auf.

Fokus auf Hardliner – hartnäckige Verfechter der Genitalverstümmelung

Seit 2008 werden unsere Elternschulen in allen 14 Gemeinden von Mosocho durchgeführt. Nun werden Elternschulen speziell auch in den entlegeneren Gebieten Mosochos angeboten, wo noch vermehrt sogenannte Hardlinerfamilien leben; Familien, die besonders hartnäckig an dem Ritual der Beschneidung festhalten.  

Dem gingen zahlreiche Familienbesuche voraus, in denen erste vorsichtige Kontaktaufnahmen stattfanden – eine besondere Herausforderung für das kenianische Lehrer-Team  und rund 400 engagierte kenianische Ehrenamtliche. Die Hardlinerfamilien stellen eine Aufgabe dar, für die es viel Zivilcourage und Fachwissen benötigt.

Möglich wurde dies durch finanzielle Unterstützung von AlternAid – Stiftung für Menschen in Not, die seit 2012 die Wert-Zentrierten Elternschulen mit 75% der Kosten bezuschusste. Der verbleibende Teil wurde durch Spendenmittel von LebKom aufgebracht. 

Nachbarregionen

Projektentwicklungen in den Nachbarregionen Marani und Kisii South

Wie der Wandel Kreise zieht

Der Wandel, den die Menschen in Mosocho gestaltet haben, könnte schon in kurzer Zeit ganz Kisii County erfassen.

Bislang ist unsere Arbeit gegen die Menschenrechtsverletzung  Genitalverstümmelung auf zwei der insgesamt zehn Nachbarlandkreise Mosochos ausgedehnt worden: Marani und Kisii South hatten diese Zusammenarbeit angefragt, weil sie so eine Entwicklung wie in Mosocho auch für ihre Region wollen, um ihre Mädchen nachhaltig vor FGM schützen zu können.

2017 und 2018 wurden Schulungen für Interessierte, die sich in ihrem Umfeld ehrenamtlich für den Schutz von Mädchen einsetzen wollen, erfolgreich abgeschlossen. Aus deren Teilnehmerkreis wiederum entstand der Wunsch, sich weiter zu Facilitators fortzubilden.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte 2011 unsere Sensibilisierungskampagne für Führungskräfte. An diese schloss sich das „Abenteuer Dorfversammlung“ an. Daraus entstanden sind auch zwei Anlaufstellen in Marani und Kisii South für Ratsuchende und Interessierte, die gut besucht werden.

Hier die bisherigen (Fort-)Schritte im Überblick:

Schulung von Ehrenamtlichen für ein Ende von FGM

Auf das Herz gehört: 200 „frischgebackene“ Volunteers

In den beiden Nachbarregionen Marani und Kisii South gibt es seit kurzem 200 Kisii-Männer und -Frauen, die sich in ihrem Umfeld und in ihren Familien aktiv für ein Ende von FGM einsetzen:  im Dezember 2017 und April 2018 wurden dort die Ehrenamtsschulungen („Value Centered Volunteer Training“) nach 21 Monaten erfolgreich beendet. Stolz und Freude standen den  Teilnehmenden ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Abschlusszertifikate von lokalen Amtsträgern feierlich überreicht bekamen. 300 Männer und Frauen hatten sich im Nachhall der Barazas auf die begehrten Plätze beworben.

Gewünscht waren Strategien, um – nach der eigenen intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema – Menschen innerhalb ihres Kontextes (fast alle leiten ehrenamtlich Kirchen-, Selbsthilfe-, Jugend- oder Frauengruppen oder sind gewählte Clan-Älteste) zu FGM ansprechen zu können.

„Lasst uns das Tabu, darüber zu sprechen, in unseren Clans brechen. Wir wissen doch jetzt, dass die Beschneidung für viele Probleme in der Ehe verantwortlich ist. Lasst uns lernen und uns dafür einsetzen, dass sich etwas ändert für Frauen und Mädchen“, hatte ein junger Mann beim ersten Vorbereitungstreffen aufgefordert.

Clan-Älteste Phyllis A. hatte formuliert: „Mein Verstand sagt mir, du kannst dein Feld nicht alleine lassen; das ist dein täglich Brot. Mein Herz sagt mir, du musst etwas tun! Andere müssen davon erfahren. Unsere Töchter sollen nicht mehr unter der Beschneidung leiden!“

Die hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Alle Teilnehmenden sahen sich in der Lage, ihre eigenen Kinder, bzw. ihre Enkeltöchter vor FGM zu bewahren und Ratsuchende darin zu stärken, dies auch zu wagen.  Auf diese Weise konnten dank des Volunteertrainings die ersten 1000 Mädchen in den neuen Regionen gerettet werden.

Für alle hatte es eine Erleichterung bedeutet, sich innerhalb ihrer Ethnie der Kisii, in der vor Beginn der Zusammenarbeit mit dem FMP 96 % ihre Töchter beschneiden ließen,  mit ähnlich Denkenden zu dem Thema austauschen zu können. Bestärkt worden waren sie auch von Landrätin Irene K. , die zum Auftakt der Ehrenamtsschulung in Marani „das mutige Vorangehen“ der Teilnehmenden gelobt hatte. 

Buntgemischte Truppe

Die Teilnahmeplätze waren zu gleichen Teilen an Männer und Frauen verteilt worden, die jüngsten 19, die ältesten 70 Jahre alt. FarmerInnen, die ihr tägliches Brot auf ihren „Shambas“ (Äckern) verdienen und teilweise weder lesen noch schreiben können, saßen neben AkademikerInnen und Bürgermeistern. Der Wert-Zentrierte Ansatz half, die sonst übliche Trennung nach Alter, Geschlecht und Bildungsunterschied zu überwinden. Der friedfertige und respektvolle Umgang miteinander erwies sich über die Schulungseinheiten hinaus als förderlich für das Gemeinschaftsgefühl der gesamten Region und leistete einen wichtigen Beitrag für ein Klima, in dem nachhaltiger Bewusstseinswandel greifen kann.

Bedenkt man, dass zudem bei der Zusammenstellung der Kursgruppen alle Gemeinden der jeweiligen Regionen einbezogen wurden, gibt dies eine Vorstellung von der organisatorischen Herausforderung, die gemeistert wurde.

Aufbruchsstimmung

Bewegt und sehr intensiv – wie zuvor in den Schulungen in Mosocho offenbarte sich wieder ein Potpourri von Emotionen: einerseits Betroffenheit über das Leid, andererseits Dankbarkeit, Aufbruchsstimmung und Glücksgefühle, die Situation für die nächste Generation Mädchen und Frauen wandeln zu können. Diese Stimmung spiegelte sich auch während der Abschlussfeiern wider und ließ bei einigen den Wunsch wachsen, jetzt nicht nachzulassen, sondern sich für die Rettung von bedrohten Mädchen in der Region durch eine Facilitator-Ausbildung weiterzuqualifizieren. 

Facilitator-Ausbildung

„Eigene“ Facilitators für Marani und Kisii South

„Wir möchten auch Barazas gestalten und in Gruppen überzeugen lernen. Je mehr das können, umso mehr Eltern erreichen wir und desto mehr Mädchen können wir schützen“, erläuterte Farmerin Askah ihre Motivation.

Sie möchte, wie viele weitere der Absolvent*innen der Wert-Zentrierten Ehrenamtlichen-Fortbildung, sich weiter im Wert-Zentrierten Ansatz ausbilden lassen, um genau wie ihre Vorbilder, die geschulten und sich intensiv fortgebildeten Facilitators aus Mosocho, auch vor größeren Gruppen, beispielsweise auf Barazas oder in Elternschulen, zu dem Thema FGM informieren und überzeugen zu können. Für 60 Teilnehmer*innen – je 30 aus jeder Region – konnte dank Unterstützung der ALTERN AID STIFTUNG im August 2018 die Wert-Zentrierte Ausbildung zu Facilitators starten. Auch hier wurde auf eine paritätische Verteilung der Plätze (ca. 50 % Frauen, 50 % Männer) geachtet.

Die Motivation aller Teilnehmenden, Frauen wie Männer, ist enorm. Während den Seminaren eine hohe Beteiligung, viel Gesprächsbedarf – all‘ das wird aufgegriffen und so eine wertschätzende Atmosphäre gestaltet, in der sich alle Beteiligten, Frauen und Männer, wohlfühlen und sensibelste Themen zur Sprache kommen können.

In Rückmeldungen spiegelt sich wieder, wie sehr sich die Teilnehmenden darauf freuen und schon nach dem ersten Seminartag ermutigt sind, in’s „Feld“ zu ziehen und das neu Gelernte umzusetzen.

Die Ausbildung findet in mehreren aufeinander aufbauenden Kurseinheiten innerhalb von zwei Jahren in unserem Schulungszentrum in Mosocho sowie dazwischen liegenden Praxisphasen statt. Sie wird durchgeführt und koordiniert von dem deutsch-kenianischen Team, bestehend aus Mosocho-Facilitators, den kenianischen Projektbüro-Mitarbeiter*innen und einer deutschen Anti-FGM-Fachkraft.

Zwei Anlaufstellen gegen Genitalverstümmelung

In Marani und Kisii South gibt es nun Anlaufstellen für alle Aktive, die sich für ein Ende von FGM engagieren. Zudem bieten sie einen geschützten Ort, wo sich Hilfe suchende Mütter und Väter, die auf den Dorfversammlungen auf diese Möglichkeit aufmerksam wurden, Rat holen können und Unterstützung erfahren.

  

Kisii South

Für Kisii South wurde ein Raum in der Schulbehörde zur Verfügung gestellt.

So zentral gelegen erhält die Anlaufstelle viel Aufmerksamkeit und setzt ein unübersehbares Zeichen im Zentrum einer Region, in der die Beschneidungsrate über 90 % liegt. An zwei Tagen die Woche tun dort im Wert-Zentrierten Ansatz geschulte Ehrenamtliche – jeweils eine Frau und ein Mann –  Dienst. Dass hierfür aus einer Reihe von Bewerbungen ausgewählt wurde, unterstreicht die Wichtigkeit der Aufgabe, sich für das Ende der Beschneidung zu engagieren.  Seit ihrer Eröffnung wird die Anlaufstelle über die Erwartungen hinaus frequentiert.

Marani

Zur offiziellen Eröffnung der Anlaufstelle in Marani sandte unser Projekt‐Koordinator Jones uns folgende Mail mit Foto: „ … es war eine gelungene und freudige Eröffnungsveranstaltung, 26  waren dabei, allen voran der zuständige Bürgermeister und sein Stellvertreter. Bereits nächsten Mittwoch will sich die Gruppe wieder treffen, um gemeinsam zu diskutieren und festzulegen, wie sie das Office bekannter machen wollen. Herzliche Grüße , Jones Maranga“.

Die Räumlichkeiten für beide Anlaufstellen werden von den Gemeinden mietfrei zur Verfügung gestellt. Dies ist der hervorragend gelungenen Vernetzung und dem Engagement der amtierenden Bürgermeister zu verdanken. Die diensttuenden Ehrenamtlichen werden bei Bedarf durch das Mosocho‐Team unterstützt – zum Beispiel, wenn sich eine Gruppe zur Beratung oder für eine erste Wert-Zentrierte Schulungseinheit anmeldet.
 

Meilenstein erreicht

Beide Anlaufstellen setzen Meilensteine im Kampf gegen Genitalverstümmelung. Neben dem Schulungszentrum in Mosocho sind dies zwei weitere, in die Gemeinden der Kisiis gut integrierte Beratungs- und Schulungseinrichtungen zur Beendigung von Genitalverstümmelung.

Möglich geworden sind die neuen Anlaufstellen durch Spenden und die Förderung von der ALTERNAID Stiftung für Menschen in Not.

Karte der Region

Dorfversammlungen

Dorfversammlungen, sogar zum Thema FGM

In den ländlichen Gebieten Kenias organisieren Bürgermeister regelmäßig Dorfversammlungen. Dort wird die Dorfbevölkerung über aktuelle Themen informiert und gemeinderelevante Dinge besprochen.

Dorfversammlungen – mit Guest of Honour, der Klitoris, im Mittelpunkt

In Mosochos Nachbarregionen Marani und Kisii South werden auf den Dorfversammlungen ungewöhnliche Dinge diskutiert. Bürgermeister, Clanälteste und die Dorfbevölkerung erschließen sich neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zur männlichen und weiblichen Anatomie und setzen sich mit dem Thema Beschneidung von Frauen und Mädchen auseinander.

FGM ist in Marani und Kisii-South ein absolut heikles Thema. Daher hatten Teilnehmer der Sensibilisierungskampagne für Führungskräfte unser deutsch-kenianisches Team zu ihren Dorfversammlungen eingeladen, um mit den Gemeindemitgliedern über das Tabuthema FGM (Female Genital Mutilation = Genitalverstümmelung) zu sprechen.

Es handelt sich um ein spannendes, im Schatten bewaldeter Versammlungsplätze stattfindendes Zusammentreffen. Niemand kann voraussehen, wie das Thema in der jeweiligen Gemeinde aufgenommen wird.

Wir – das FULDA-MOSOCHO-Team – haben uns gründlich darauf vorbereitet und gehen vorsichtig vor. Die Dorfbewohner/innen werden taktvoll gefragt, ob es für sie in Ordnung sei, sich über FGM auszutauschen. Eine respektvolle Begegnung, die Neugierde weckt.

Anhand plastischer, handgefertigter Anschauungsmaterialien aus Holz, sowie mittels Zeichnungen auf Plakaten, werden erste anatomische Grundlagen erarbeitet.

Unser Vorgehen: Nicht verurteilen und nicht bewerten, sondern durch einfühlsame Ansprache zum Thema Genitalverstümmelung bei den Menschen Interesse wecken und erste spannende Impulse geben. So kann sich eine friedliche, weitere Zusammenarbeit entwickeln, Hand in Hand.

Die Reaktionen sind positiv und ermutigend:

Ich versuche seit Jahren, nach Gottesdiensten die Menschen davon zu überzeugen, dass Beschneidung schlecht für unsere Kinder ist und dass wir damit aufhören müssen! Keiner hört auf mich. Gut, dass ihr endlich gekommen seid.“, so ein älterer Bürger auf der Dorfversammlung in Metemba, Marani.
 
Eine weitere Rückmeldung: „Wir brauchen dieses Wissen. Es ist überfällig, etwas zu verändern.“

Der Anfang eines langen Weges ist getan.

Sensibilisierungskampagne gegen FGM

Nachdem die Erfolge beim Kampf gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen in Mosocho sich auch außerhalb der Region herumsprachen, wurden Stimmen aus den Nachbarregionen laut, eine solche Entwicklung auch in der eigenen Umgebung haben zu wollen – in Marani und Kisii South. Dort liegt die Beschneidungsrate noch bei über 90 % und bei ca. 219.000 Einwohnern sind rund 20.000 Mädchen akut bedroht.

In 2011 war es so weit:

Eine Sensibilisierungskampagne, für lokale Führungskräfte zum Thema Weibliche Genitalverstümmelung, startete, mit finanzieller Förderung aus Mitteln des BMZ, der hessischen Stiftung ProAfrika und unserer Spenderinnen und Spender.

180 Bürgermeister, Schulleiter, Vorstände und andere Offizielle trugen sich in die Teilnehmer-Listen ein und nahmen, aufgeteilt in 6 Kursgruppen mit mehrtägigen Schulungseinheiten, daran teil.

Die Leitung des Projektes und die Durchführung der Unterrichtseinheiten lagen bei LebKom e.V., unterstützt von Aktiven der Mosocho-Region, die im WZA ausgebildet sind.

Worum ging es in der Sensibilisierungskampagne?

Stellen wir uns den Job eines Bürgermeisters vor.
Da Weibliche Genitalverstümmelung seit 2001 in Kenia gesetzlich verboten ist, ist er seitens der Regierung gefordert, bedrohte Mädchen zu schützen.
Die Mehrheit seiner Gemeinde, in der er verwurzelt ist, setzt sich jedoch vehement für den Fortbestand der Praktik als wichtigen Kulturbestandteil ein. Die Führungskräfte stehen somit in einem ungeheuren Spannungsfeld zwischen Gesetz und gesellschaftlichem Druck.
Ziel war nun, das Spannungsfeld aufzulösen und so Voraussetzungen zu schaffen für öffentliche, tabufreie Gespräche und Diskussionen zu FGM.
Unter anderem stehen Kerneinheiten zur Anatomie der Geschlechts- und Fortpflanzungsorgane auf dem „Stundenplan“.

Nach anfänglicher Skepsis der Teilnehmer „Was und warum will uns denn diese junge, weiße Frau zu UNSERER Kultur erzählen?“ gelingt es unserer Anti-FGM-Fachkraft, eine wertschätzende und offene Atmosphäre zu schaffen.
 

Ob pro oder contra Beschneidung, jeder Meinung wird hier respektvoll begegnet.

Mark, einer der Schulleiter: „Als ich erfasste, welch wertvolle Anatomie hier zerstört wird, war mir klar, hier MUSS etwas getan werden. ICH muss was tun, WIR müssen etwas tun!“
 

Höhepunkt der Sensibilisierungskampagne sind die öffentlichen Veranstaltungen in Marani und Kisii South. Der Marsch, bei dem sich die Teilnehmenden öffentlich, singend und tanzend gegen die Praktik der Beschneidung und für den Erhalt der Klitoris positionieren, löste großes Staunen an den Straßenrändern aus. Etwas Derartiges hatte es dort noch nie gegeben.

Die Sensibilisierungskampagne hatte den gewünschten Erfolg.

Sie hat dazu geführt, dass die Führungskräfte – entscheidende Meinungsträger in Marani und Kisii South – neue Sichtweisen zur Beschneidung von Mädchen und Frauen eingenommen haben und sich nun für ein Ende des Rituals FGM einsetzen.

Ihre Idee: hierfür mit Unterstützung des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTES ihre Dorfversammlungen, sogenannte Barazas, nutzen zu wollen.

Celebrations

Celebrations, dt. „Feiern, Feste“, stellen für alle, die an der Überwindung der Weiblichen Beschneidung/Genitalverstümmelung mitwirken, eine Art große Ernte der Ergebnisse ihrer Arbeit dar.
 
Alle Mädchen, die in diesem Jahr vor der grausamen Menschenrechtsverletzung bewahrt werden konnten, werden im Dezember, dem eigentlichen Beschneidungsmonat, gefeiert.

Die Community feiert nun unversehrte Mädchen

Als Zeichen ihrer Unversehrtheit bekommt jedes Mädchen ein „Certificate“ sowie ein gelbes T-Shirt – der Anblick der langen, gelben Mädchenreihen, die tanzend und singend auf den Festplatz einziehen, lösen bei jedem Mitwirkenden ungeheure Freude und Dankbarkeit aus.

Seit über 10 Jahren werden die großen, öffentlichen Feiern nun in Mosocho abgehalten – bereits über 30.000 Mädchen sind nachhaltig vor der Beschneidung gerettet.

Auch in diesem Jahr werden in jeder der 14 Gemeinden Mosochos wieder Celebrations organisiert.

Örtlichkeiten müssen gesucht und Lautsprecheranlagen organisiert, Sachpreise für verschiedene Wettbewerbe im Rahmen des von den Dorfbewohnern selbst entwickelten Programms (z.B. Songcontest) bereitgestellt und Lebensmittelspenden eingeholt werden. Eine Aufgabe, an der sich das gesamte Team der Ehrenamtlichen beteiligt.

Die Vorfreude ist trotz allem Vorbereitungsstress groß – schließlich wird hier das erfolgreiche Ergebnis einer Jahresarbeit sichtbar: hunderte weitere Mädchen, die singend, lachend und tanzend gefeiert werden – weil sie unversehrt bleiben dürfen.

Schulungszentrum

Das kenianische Zuhause des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTS:

Der Bau:

 

Mit einer Co-Finanzierung aus Mitteln der EU wurde 2002 der Startschuss für das FULDA-MOSOCHO-PROJEKT gegeben. Möglich wurde dadurch u. a. der Bau unseres Schulungszentrums im Herzen Kenias direkt in Mosocho.

Es wurde von Anfang darauf geachtet, dass beim Bau Männer und Frauen in gleicher Anzahl beteiligt sind: ein Zeichen an die Bevölkerung, dass Gleichberechtigung gewollt und machbar ist. Auch durften Frauen Werkzeuge, wie Schubkarre, Hammer etc. benutzen, was bisher nur Männern vorbehalten war – eine völlig neue Entwicklung.

Für den Bau wurden ausnahmslos einheimische Materialien verwandt, die es in der Region zu kaufen gibt. Ein Beitrag zu nachhaltiger Entwicklungshilfe.

Ausstattung:

Ausgestattet ist das Schulungszentrum mit einem großen Seminarraum, in dem die unzähligen Seminare, Kurse und Workshops, Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Überwindung der Beschneidung von Frauen und Mädchen stattfinden. Zwei Büroräume sowie ein Besprechungsraum für das deutsch-kenianische Team sind ebenfalls vorhanden. Auch zwei große Wassertanks gehören zum Inventar. Sie sind gefüllt mit Regenwasser, das durch ein spezielles Sandsteinfiltersystem zu keimfreiem Trinkwasser wird.

Zum Schulungszentrum gehört ein großes Gelände. Dieses ist seit 2012 von Maracujapflanzen umrahmt, die letzten Herbst bereits die erste Ernte abwarfen. Die Früchte werden von einer vor Ort ansässigen Getränkefirma aufgekauft. Der Erlös kommt, abzüglich der für den Anbau der Früchte aufgebrachten Kosten, der Arbeit des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTS zugute.

Auf der Wiese weidet zeitweise eine Kuh, die zweierlei Nutzen darstellt – als ökologischer Rasenmäher und geldeinbringendes Mittel – die „Weidemiete“ fließt ebenfalls in die Projektarbeit.

Rohbau des Schulungszetrums
Das Schulungszentrum im Rohbau
Schulungszentrum Fulda-Mosocho-Project Kenia
Das Schulungszentrum
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